Fallbericht September 2019:

Vorwort:
In 2019 wie auch in 2018 waren Prof. Dr. Erik Teske von der Kleintierklinik der Universität Utrecht und PD Dr. Christian Stockhaus verantwortliche Sprecher beim Alpe-Adria Diagnostic Cytology Symposium am 30.8.-1.9.2019 (Abb. 1). Dieses ist eine jährliche Fortbildungsveranstaltung für Kleintierpraktiker und Veterinärpathologen, die von der österreichischen, slowenischen und italienischen Tierärztevereinigung ausgerichtet wird. In diesem Jahr fand sie in Slowenien statt. Während im vergangenen Jahr über die Hautzytologie und Zytologie innerer Organe referiert wurde, lagen die Schwerpunkte in diesem Jahr bei der Anämiediagnostik, Lymphknoten- und Knochenmarkszytologie. 

 

Dabei wurden die Grundlagen sowie zahlreiche Fallbeispiele besprochen. Gerade bei der Anämiediagnostik ist die zytologische Interpretation von Blutausstrichen und die Verknüpfung der verschiedenen Untersuchungsergebnisse und des klinischen Verlaufes von großer Bedeutung. Die Untersuchung von Knochenmark ist bei vielen Patienten mit Anämien aber auch Leukopenien und Thrombozytopenien sowie anderen Hinweisen auf das Vorliegen von paraneoplastischen Syndromen sehr hilfreich.
So auch in dem folgenden Fallbericht, den wir Ihnen vorstellen möchten.

Patient:
Terrier-Mischling, 8 Jahre, weiblich- kastriert

Vorbericht:
Die Besitzer berichteten, dass der Hund in den letzten Tagen mehrfach umgefallen ist und für einige Sekunden nicht ansprechbar war. Erscheinungen eines Krampfanfalls lagen nicht vor. Die Symptomatik wurde als ein synkopales Geschehen interpretiert. Der Hund war in den Phasen zwischen den Synkopen für die Besitzer völlig unauffällig. Er zeigte guten Appetit und wies sonst keine Symptome auf. Die Belastbarkeit war nicht vermindert. Relevante Vorerkrankungen lagen nicht vor. Der Hund war immer in Deutschland. Impfungen sind regelmäßig erfolgt.

Klinische Untersuchung:
Das Allgemeinbefinden war ungestört. Die Schleimhäute waren rosa, die Körperinnentemperatur betrug 38,7 °C. Der Hund hatte eine regelmäßige Pulsfrequenz von 125/Minute und eine Atemfrequenz von 22/Minute. Die KFZ war normal. Die Auskultation von Herz und Lunge war ohne Befund. Das Abdomen war palpatorisch unauffällig. Im Rahmen einer neurologischen Untersuchung wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. 

Es wurde nun zunächst eine Blutuntersuchung eingeleitet.
Bei dieser (Abb. 2) zeigte sich eine geringgradige, nichtregenerative Anämie sowie eine hochgradige Hyperglobulinämie, die vermutlich im Zusammenhang mit einem Hyperviskositätssyndrom für die synkopale Symptomatik verantwortlich war. In der daraufhin eingeleiteten Serumelektrophorese ließ sich feststellen, dass bei der Hündin eine monoklonale Hypergammaglobulinämie vorlag. Die Untersuchung des Blutausstriches ergab lediglich eine geringgradige Anisozytose, die keinen Rückschluss auf das zugrundeliegende Geschehen erlaubte. Um einen soliden thorakalen oder abdominalen Tumor als Ursache abzuklären, wurde zunächst eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens sowie Röntgenuntersuchungen des Thorax angefertigt. Bei diesen Untersuchungen war kein pathologischer Befund zu erheben. Da aufgrund der hochgradigen monoklonalen Gammopathie in Verbindung mit der nichtregenerativen Anämie eine Knochenmarkserkrankung vermutet wurde, entschieden wir uns zur Durchführung einer Knochenmarksaspiration für eine zytologische Untersuchung (Abb. 3).
Im Knochenmark waren in hoher Anzahl tumoröse Plasmazellansammlungen nachweisbar. Es kamen sowohl gut differenzierte als auch weniger gut differenzierte Plasmazellaggregate im Knochenmark vor. Der Anteil von Plasmazellen an der absoluten Zellzahl betrug 40%. Die Vorläuferzellen der erythroischen, myeloischen und megakaryozytären Zellreihen waren noch ausreichend vorhanden. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass durch die Tumorinfiltrate im Knochenmark über eine Hemmung der Erythropoese die nichtregenerative Anämie verursacht wurde. Es wurden Röntgenuntersuchungen von verschiedenen Knochen angefertigt. Dabei ergab sich ein hochgradiges diffuses osteolytisches Bild mit multiplen „punched out lesions“ (Abb. 4) in zahlreichen Wirbelkörpern.


Weiterer Verlauf:
Bei dem Hund wurde eine intravenöse Chemotherapie mit Cyclophosphamid gestartet und danach ein Erhaltungsprotokoll mit Melphalan und Prednisolon. In den ersten Tagen nach Beginn der Tumorbehandlung wurde eine Dauerinfusionstherapie durchgeführt. Es wurde noch einmal eine Synkope beobachtet. Danach war der Hund wieder völlig symptomfrei. Die Serumproteine waren nach vier Wochen wieder im Referenzbereich. Der Hund hatte eine mehrjährige Überlebenszeit.

Beurteilung:
Multiple Myelome sind hämatopoetische Tumoren, die beim Hund regelmäßig nachgewiesen werden. Es werden neben Thrombozyto- oder Leukopenien auch nichtregenerative Anämien als Ursache beobachtet. Bei einem Teil der Tiere kommt es zu monoklonalen Hypergammaglobulinämien, die mit teilweise starken Hyperproteinämien verbunden sein können. Teilweise werden auch paraneoplastische Hyperkalzämien festgestellt. Urinelektrophoretische Untersuchungen können teilweise die Ausscheidung von Bence-Jones-Proteinen nachweisen. Osteolytische Knochenveränderungen werden nur bei einem Teil der Patienten beobachtet. Eine zytologische Knochenmarksuntersuchung ist in vielen Fällen hilfreich für den Nachweis dieses Tumors. Viele Patienten lassen sich sehr erfolgreich mit oralen Chemotherapien behandeln. Diese werden zumeist sehr gut vertragen.

Abb. 1

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Abb. 3 Zytologie Knochenmark

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Abb. 4 Osteolytische Läsionen mehrerer Wirbelkörper

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Abb. 2 Hämatologie und klinische Chemie

Leukozyten (n/µl) 10900 (6000-11000)
Erythrozyten (Mill/µl) 4,78 (5-8,5)
Hämoglobin (mmol/l) 9,1

(9,3-11,8)

Hkt (%) 35 (40-55)
Thrombozyten (n/µl) 378000 (150000- 500000)

Retikulozyten (%)

 11900 (>60.000)

Ausstrich: o.B.

   
Na (mmol/l) 141 (140-155)
K (mmol/l) 4,3 (3,9-5,1)
Kalzium (mmol/l) 2,68 (2,3-3)
Kalzium ion. (mmol/l)   (1,1-1,4)
Phosphor (mmol/l) 1,3 (0,9-1,6)
Glukose (mmol/l) 5,4 (3-6,7)
Harnstoff (mmol/l) 6,6 (3,3-8)
Kreatinin (µmol/l) 113 (<159)
ALAT (IU/l) 37 (<50)
AP (IU/l) 79 (<100)
Cholesterin (mg/dl) 229 (100-250)
Bilirubin (mg/dl) 0,1 (< 0,2)
Gesamteiweiß (g/l) 120 (55-70)
Albumin (g/l) 27 (23-32)