Fallbericht Februar 2019:

Patient:
Karthäuser, 12 Jahre, männlich kastriert

Vorbericht:
Der Kater hatte in den letzten Wochen einen verminderten Appetit gezeigt und 1,3 kg Körpergewicht verloren. Seit mehreren Tagen trat wiederholt starkes Erbrechen von Futter und schleimigen Bestandteilen, in einem Zeitfenster von bis zu 3 Stunden nach der Futteraufnahme auf. Das Tier war Freigänger, hatte keine chronischen Vorerkrankungen, war normal geimpft und ohne Einfluss von länger verabreichten Medikamenten.

Es war bisher symptomatisch mit Maropitant gegen Erbrechen behandelt worden, ohne dass sich eine deutliche Verbesserung zeigte.
In den letzten Stunden hatte sich das Allgemeinbefinden verschlechtert.

Klinische Untersuchung:
Das Allgemeinbefinden war mittelgradig gestört. Die Schleimhäute waren rosa, die Körperinnentemperatur betrug 38,2 °C. Die Katze hatte eine Pulsfrequenz von 170/Minute und eine Atemfrequenz von 32/Minute. Das Abdomen war vor allem im Bereich des Mesogastriums mäßig angespannt und nicht in der Tiefe palpierbar.
Weitere Auffälligkeiten waren bei der Untersuchung nicht feststellbar.
Es wurde eine vollständige Blutuntersuchung sowie eine Röntgen- und Ultraschalluntersuchung des Abdomens eingeleitet.

Ergebnisse weiterführender Untersuchungen:
Die Röntgenuntersuchung (Abb. 1) im laterolateralen Strahlengang ergab eine gleichmäßige diffuse Gasfüllung des Dünndarmes. Auffällig war ein Detailverlust des gesamten Abdomens und eine Splenomegalie. Im Thorax wurden bei dieser Übersichtsaufnahme keine Veränderungen festgestellt.
Bei der Blutuntersuchung (Abb. 2) zeigte sich eine leichte hyporegenerative Anämie. Die klinisch-chemischen Blutparameter sowie die Urinuntersuchung waren ohne besondere Befunde.
Bei der nachfolgenden Ultraschalluntersuchung (Abb. 3) fiel eine hochgradige Splenomegalie auf. Das Milzparenchym war in mehreren Lokalisationen nodulär verändert und mittelgradig inhomogen. Darüber hinaus war im Abdomen ein mittelgradiger Aszites feststellbar. Das Peritoneum war hochgradig hyperechogen und auch Netzstrukturen waren hyperechogen und deutlich nodulär verändert. Zudem waren mehrere abdominale Lymphknoten moderat vergrößert.
Als nächster diagnostischer Schritt wurde eine Punktion des Aszites durchgeführt. Der Aszites war makroskopisch wässrig mit leicht rötlicher Färbung. Es handelte sich um ein modifiziertes Transsudat mit einem spez. Gewicht von 1027, einem Zellgehalt von 3500 Zellen/mcl und einem Eiweißgehalt von 3,5 g/dl. Zytologisch waren im Erguss Erythrozyten, nichtseptische neutrophile Granulozyten, einzelne eosinophile Granulozyten sowie Mesothelmakrophagen, jedoch keine Tumorzellen nachweisbar.
Das Vorhandensein von eosinophilen Granulozyten im Aszites war sehr ungewöhnlich und lenkte den Verdacht bei diesem Patienten auf ein Tumorgeschehen in der Milz.
Wir führten daher eine Feinnadelbiopsie der Milz an mehreren Stellen durch und untersuchten die Punktate zytologisch (Abb. 4). Die Zytologie ergab eine hochgradige Infiltration mit kaum granulierten, pleomorphen Mastzellen. Der Verdacht lag somit bei einem diffusen Mastzelltumorgeschehen in der Milz, was oft mit einer Disseminierung von Mastzellen in anderen Organen im Sinne einer systemischen Mastozytose einhergeht.
Um die Tumorausbreitung im Körper einschätzen zu können, führten wir bei der Katze noch eine Feinnadelbiopsie der Leber (Abb. 5) und eine Knochenmarksaspiration unter Lokalanästhesie an der Crista iliaca sowie eine zytologische Untersuchung des Blutausstriches (Abb. 6) durch. Im Blutausstrich wurden einzelne, mäßig granulierte Mastzellen gefunden und in der Leber war wiederholt eine herdförmige Infiltration mit Mastzellen mäßiger Granulation sichtbar. Das Knochenmark enthielt ebenfalls einen Anteil von 20% Mastzellen, wobei die Zellularität und die Verteilung und Ausreifung von Vorläuferzellen physiologisch war.
Bei der systemischen Mastozytose handelt es sich um eine generalisierte Tumorform, die bei der Katze in der Regel mit einer starken Mastzellinfiltration der Milz einhergeht. Sekundär können andere Organe, wie die Leber, das Knochenmark, viszerale Lymphknoten, Magen-Darmtrakt und der Respirationstrakt betroffen sein. Häufig können bei dieser Tumorform auch Mastzellen im Blut gefunden werden. Während diese Form bei Katzen primär viszeral auftritt, wird sie bei Hunden häufig als Sekundärmanifestation infolge von gering differenzierten, höher malignen kutanen Mastzelltumoren beobachtet.
Die Symptome der systemischen Mastozytose sind variabel und auch von der Organmanifestation abhängig. Häufig werden initial Inappetenz, Gewichtsverlust, gastrointestinale Beschwerden und teilweise schockartige Symptome beobachtet. Diese Symptome werden teilweise durch die Degranulation von Mastzellen und die entsprechenden biochemischen Wirkungen in Sekundärorganen ausgelöst. Radiologisch werden Vergrößerungen von Leber, Milz und abdominalen Lymphknoten sowie Körperhöhlenergüsse festgestellt.
Labordiagnostisch werden teilweise Anämien, Thrombozytopenien und Hyperglobulinämien nachgewiesen. Mastzellen werden bei etwa 40% der Tiere intermittierend im Blut ausgeschüttet und können in Ausstrichen unregelmäßig nachgewiesen werden.
Trotz des systemischen Charakters können Splenektomien bei Katzen mit systemischer Mastozytose zu längeren Stabilisierungen der Patienten führen. Splenektomien können mit dem Einsatz von H1- und H2-Blockern sowie Glukokortikoiden kombiniert werden. Eine adjuvante Therapie mit Chemotherapeutika wie Vincristin, Cyclophosphamid oder auch Tyrosinkinaseinhibitoren kann sich in Einzelfällen auch positiv auf die Überlebenszeit auswirken, die nicht selten bei ein bis zwei Jahren liegt.
Im vorliegenden Fall entschieden sich die Besitzer der Katze für eine Splenektomie. Nach initialer Stabilisierung mit Infusionstherapien, Maropitant, H1- und H2-Blockern wurde bei der Katze die Milz exstirpiert. Postoperativ erhielt sie auf Wunsch der Besitzer nur Prednisolon, dass initial mit 1,5 mg/kg täglich dosiert wurde und dann in den nächsten Wochen auf 0,25 mg/kg Erhaltung reduziert wurde. Eine zusätzliche Chemotherapie wurde von den Besitzern nicht gewünscht.
Die Katze war nach einigen Tagen bei sehr gutem Allgemeinbefinden und in der Folgezeit völlig stabil. Die Hepato- und Lymphadenomegalie sowie der Aszites waren regressiv.
Das Tier überlebte länger als zwei Jahre.

Zytologische Diagnostik bei Ergüssen:
Aus unserer Sicht sollten Brusthöhlen- und Abdominalergüsse immer systematisch untersucht werden. Im vorliegenden Fall wurde im Aszites mit den Untersuchungen ein modifiziertes Transsudat festgestellt, dass einen erhöhten Anteil an eosinophilen Granulozyten aufwies. In vielen Fällen geben Ergussuntersuchungen pathophysiologische Richtungen vor, die zu einer Eingrenzung von Differentialdiagnosen führen. Darauf aufbauend können häufig zielgerichtet Untersuchungen ergänzt werden, die dann zu einer Diagnose führen. Wichtig ist auch die zytologische Diagnostik von Ergüssen, die nicht immer einfach ist, da darin häufig reaktive Zellmuster von Mesothelzellen beobachtet werden, die nur mit großer Erfahrung von Neoplasien differenziert werden können. Wir führen in unserer Praxis zunächst eine Kategorisierung von Ergüssen durch die Bestimmung von spez. Gewicht, Zellzahl und Proteingehalt durch, so dass eine Zuordnung als Transsudat, modifiziertes Transsudat, Exsudat oder andere Spezialformen von Ergüssen erfolgen kann. Darauf aufbauend erfolgt dann eine zytologische Untersuchung. Häufig können bei der Analyse von weiteren Untersuchungsergebnissen, wie Blutdiagnostik, Röntgen- und Ultraschalldiagnostik in Verbindung mit den Ergusskriterien konkretere Aussagen bezüglich der Ursache eines Ergusses bzw. bezüglich weiterer notwendiger Untersuchungsverfahren erzielt werden.

Zytologische Untersuchung von Feinnadelbioptaten der Milz:
Während beim Hund deutlich mehr fokale Parenchymveränderungen der Milz vorkommen, entwickeln Katzen häufig diffuse Parenchymveränderungen mit Vergrößerungen des Organes und diffus-irregulären Gewebestrukturen. Dabei ist es mit Hilfe der Sonographie häufig nicht möglich, eine reaktive Milzveränderung von einem Milztumor zu differenzieren und es gelingt damit auch nicht, die Tumorart festzulegen, was für die weitere Therapieentscheidung aber sehr wichtig ist. Vielfach können bei Hund und Katze auch reaktive Veränderungen, Hyperplasien sowie die extramedulläre Hämatopoese sehr irreguläre Parenchymmuster bei Ultraschalluntersuchungen der Milz verursachen. Neben Mastzelltumoren werden in der Milz bei Katzen häufiger maligne Lymphome nachgewiesen. Ggl. werden auch Plasmazelltumoren, Hämangiosarkome oder Metastasen von anderen Tumoren diagnostiziert. Auch fokale Milzveränderungen können unter Ultraschallkontrolle punktiert werden und zytologisch abgeklärt werden. Das Komplikationsrisiko bei einer Feinnadelbiopsie der Milz ist äußerst gering. Sowohl bei Hunden, als auch bei Katzen kann man in der Regel im Wachzustand eine Feinnadelbiopsie durchführen.
Hingegen sind große, kavernöse Massenveränderungen der Milz, wie sie beim Hund öfter vorkommen, nicht für eine Feinnadelbiopsie geeignet, da hier ein größeres Punktionsrisiko besteht und die massenartigen Veränderungen in den meisten Fällen sehr heterogen zusammengesetzt sind und neben Tumorarealen, Blutungsareale und Nekrosefelder enthalten. Hierbei ist neben dem Blutungsrisiko dann auch das Risiko einer falsch-negativen Tumordiagnose recht groß.

Zusammenfassend bleibt bei der hier vorgestellten Katze festzustellen, dass die Kombination der Untersuchungsergebnisse und letztendlich die zytologische Untersuchung erst zu einer Diagnosestellung und gezielten Therapieeinleitung geführt hat. Bei dem Puzzle an klinischen Befunden raten wir immer zu gezielten und systematischen Untersuchungen von Ergüssen und auch zur Durchführung von Feinnadelbiopsien innerer Organe, die in den allermeisten Fällen ohne Komplikationen verlaufen. Hinsichtlich der einzusetzenden Punktionsnadeln verweisen wir auf den Beitrag des letzten Monats.

Abb. 1: Röntgenuntersuchung von Thorax und Abdomen

roentgen

Abb. 3: Ultraschalluntersuchung Abdomen/Bild der Milz

ultraschall

Abb. 4: FNAB-Zytologie der Milz

zellen

Abb. 5: FNAB-Zytologie der Leber

zellen2

Abb. 2 Hämatologie und klinische Chemie

Leukozyten (n/µl) 13200 (6000-15000)
Erythrozyten (Mill/µl) 8,5 (5-10)
Hämoglobin (mmol/l) 8,8

(5-11)

Hkt (%) 24  (30-44)
Thrombozyten (n/µl) 375000 (180000-550000)

Retikulozyten (%)

0,2  (>0,5)
Differenzierung Retikulozyten: 0,18% Punktierte, 0,02% Aggregierte
Na (mmol/l) 141 (140-155)
K (mmol/l) 4,7 (3,6-4,8)
Kalzium (mmol/l) 2,4 (2,3-3)
Glukose (mmol/l) 159 (80-140)
Harnstoff (mmol/l) 7,1 (5-8)
Kreatinin (µmol/l) 128 (<141)
ALAT (IU/l) 50 (<70)
GGT (IU/l)

5

(< 6)
AP (IU/l) 61 (<80)
Globulin (g/dl) 3,6 (3,0-5,5)
Bilirubin (mg/dl) 0,1 (< 0,2)
Gesamteiweiß (g/l) 7,1 (5,5-7,5)
Albumin (g/l) 3,5 (3,0-5,5)

Abb. 6: Blutausstrich

zellen3